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Inarés Pelopio

(Archivarin zu Belhanka)

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Ein beständiges Auf und Ab war das Leben der Belhankaner Archivarin. Ihre Eltern führten einen gutgehenden Krämerladen in Hôt-Alem, welcher der Familie ein sicheres Auskommen verschaffte, und auch für die fünf Kinder eine nicht allzu trostlose Zukunft versprach. Inarés als Älteste erlernte sogar die Grundlagen der Lesens, um später einmal das Geschäft zu übernehmen.
Dann jedoch schlug das Schicksal erbarmungslos zu, ein Brand vernichtete die Existenzgrundlage der Familie. Die mageren Reserven waren schnell aufgebraucht, und um dem Hungertode zu entgehen blieb nur noch der Weg in die Schuldknechtschaft.
Hierbei war dann aber doch wieder das Glück mit der damals Elfjährigen, denn ihr Herr holte sie als Zofe und Gesellschafterin für seine gleichaltrige Tochter Fiorella ins herrschaftliche Haus. Im folgenden entwickelte sich eine innige Freundschaft zwischen den beiden Mädchen, die das eigentliche Herrin-Bediensteten-Verhältnis zur Bedeutungslosigkeit verblassen ließ. Fiorella setzte sogar durch, dass ihre Freundin am Unterricht ihrer Privatlehrer teilnehmen durfte, zunächst sehr zum Unwillen ihrer Eltern.
Dieser legte sich jedoch schnell, als sich Inarés' rasche Auffassungsgabe zeigte, und vor allem ihre Fähigkeit, das Gelernte derart anschaulich wiederzugeben, dass auch Fiorella es spielend begriff und rasche Fortschritte machte. Besonders beliebt bei den Mädchen waren vor allem die Lektionen in Geschichtskunde, in denen sie von prächtigen Königen und tapferen Heroinnen in wilden Schlachten und ähnlichen die Phantasie beflügelnden Dingen hörten, und vor allem der Musikunterricht, wo sie das Lautenspiel erlernten. Auch zeigte sich hierbei, dass Inarés erstaunlich musikalisch war.
Doch dann wuchsen die Mädchen heran, und Fiorellas Vater beschloss an ihrem siebzehnten Geburtstag, dass seine Tochter nun alt genug sei, und verheiratete sie an einen Charazzar nach Brabak. Natürlich begleitete Inarés sie, doch schon bald begann Fiorellas Gatte, der hübschen Zofe seiner Gemahlin nachzustellen, die diese Annäherungsversuche nur Dank der Hilfe ihrer Freundin abwehren konnte. Obgleich den Mädchen das Herz dabei brach, ermöglichte Fiorella es ihrer Freundin daraufhin, sich aus der Schuldknechtschaft freizukaufen, damit sie die Stadt verlassen konnte.
Die nächsten Jahre führten Inarés bis ins ferne Mittelreich, ja sogar ins Bornland drang sie einige Male vor. Es war ein aufregendes Leben, das sie führte, so manches Abenteuer erlebte sie mit neu gefundenen Freunden und Gefährten, und das meiste davon verarbeitete sie zu Liedern und Gedichten, die ihr ihren Lebensunterhalt sicherten.
Schließlich kehrte sie in Begleitung ihres langjährigen Reisebeleiters, eines jungen belhankaner Magus, nach Brabak zurück. Zu ihrem Entsetzen fand sie ihre Freundin Fiorella in einem erbärmlichen Zustand vor. Von ihrem Gatten vernachlässigt hatte sich die einst so lebensfrohe junge Frau dem Trunke und dem Rauschkraut ergeben und siechte nun in luxuriöser Umgebung elendiglich dahin. Wochenlang harrte die junge Bardin an ihrem Lager aus, doch nur noch ein einziges Mal tauchte Fiorella so weit aus dem Delirium auf, dass sie die geliebte Freundin erkannte, dann starb sie.
Hätte es nicht ihren Reisegefährten gegeben, Inarés wäre an der Angelegenheit zerbrochen. Doch der Magus erkannte, dass sie eine Aufgabe benötigte, und vermittelte sie an seinen Großonkel, der damals Ordensmeister des ODL in Brabak war. Dankbar nahm sie an, und verkroch sich monatelang hinter staubigen Büchern, floh in die Welt ihrer Gedanken zu den Heroen der Geschichte, bis sie sich wieder gefangen hatte, und sich - neugierig wie sie war - langsam für die Geschehnisse des Ordens, dessen Mitglied sie nun war, zu interessieren begann.
Mittlerweile ist die wissensdurstige Mittdreißigerin mit den rehbraunen kurzen Haaren Archivarin, noch immer interessiert sie sich für Geschichte und spielt hervorragend Laute. Doch auch, wenn sie heute meist wieder ansteckende Fröhlichkeit ausstrahlt, kann man noch bisweilen jene seltsame Melancholie in ihren grünen Augen entdecken, die die Geschehnisse in ihr hinterlassen haben.
Die Zeit heilt alle Wunden, und so wird es sich auch bei Inarés fügen. Vielleicht ist es eine Gnade des Schicksals, dass die junge Archivarin nun aus Brabak abberufen wurde und fürderhin in Belhanka neue Aufgaben zu erledigen und gleichsam eine neue Heimat gefunden hat. Immerhin ist Belhanka bekannt für Lebensmut und Frohsinn, den die Stadt im Überfluss versprüht.